Hochsensibilität:
Merkmale, Tests und Typen
Wie zeigt sich Hochsensibilität? Ab wann ist ein Mensch hochsensibel? Und welche Rolle spielen dabei HSP-Tests?
Ein Überblick zur Hochsensibilität.

„Ich bin stärker als die Wörter, die andere sagen, und größer als die Schublade, in die sie mich stecken wollen.“
David Levithan
Was ist Hochsensibilität?
Kurz vorweg: Hochsensibilität ist keine psychische Störung oder Krankheit. Es ist ein Persönlichkeitsmerkmal.
Hochsensible Menschen nehmen über ihre Sinneskanäle nicht deutlich mehr Reize auf. Es gelangen aber sehr viel mehr Informationen in ihr Bewusstsein. Denn die neuronalen Filter im Gehirn stufen deutlich mehr Reize als relevant ein.
Dadurch nehmen Hochsensible insgesamt sehr viel mehr Details und Stimmungen in ihrer Umgebung wahr. Auch subtile Feinheiten, die anderen Menschen verborgen bleiben.
Hochsensible erleben und verarbeiten die Informationen auch intensiver. Deshalb sind sie meist schneller überstimuliert und überlastet. Oft brauchen sie länger, um Situationen und Erfahrungen zu verarbeiten.
Hochsensibilität in der Forschung
Die amerikanische Psychologin Elaine N. Aron hat den Begriff der „highly sensitive person“ (kurz: HSP) geprägt. 1997 wurde er erstmals wissenschaftlich erwähnt.
Nach aktuellem Forschungsstand ist ungefähr jeder fünfte Mensch hochsensibel – Frauen und Männer zu gleichen Anteilen.

Anteil hochsensibler Menschen

Frauen | Männer
HSP-Tests: Wie kannst Du Hochsensibilität erkennen?
Im Internet kursieren diverse HSP-Tests, um Hochsensibilität zu erkennen. Diese können Dir einen ersten Anhaltspunkt geben.
Auch ich habe schon viele solcher HSP-Selbsttests gemacht. Den Ergebnissen messe ich jedoch keine allzu große Bedeutung bei.
Zum einen ist kein HSP-Test allgemein anerkannt. Zum anderen können die Ergebnisse je nach Test komplett unterschiedlich ausfallen.
Merkmale von HSP-Tests variieren
Die Auswahl der charakteristischen Merkmale für Hochsensibilität variieren in den verschiedenen HSP-Tests sehr stark:
Bei einem Test, den ich durchführte, zielen z. B. einige Fragen besonders auf die Ausprägung der visuellen Empfindsamkeit ab.
Dieser Sinneskanal ist bei mir aber nicht überdurchschnittlich ausgeprägt. Das Ergebnis dieses HSP-Tests: Ich sei nicht hochsensibel.
Die meisten anderen durchgeführten Tests für Hochsensibilität ergaben hingegen Testergebnisse, nach denen ich hochsensibel bin.
Wie zeigt sich Hochsensibilität?
wahrnehmen
sensorisch
Du nimmst sinnliche Reize stärker wahr.
denken
kognitiv
Du denkst länger und intensiver nach.
fühlen
emotional
Du bist feinfühlig und sehr emotional.
Test-Zeitpunkt entscheidet mit
Auch der Zeitpunkt, wann Du den HSP-Test in Deinem Leben durchführst, kann Einfluss auf das Ergebnis haben.
Ich erinnere mich an einen Test mit mehreren Fragen zur eigenen Abgrenzungsfähigkeit.
Als ich ihn damals durchführte, hatte ich mich bereits intensiver mit meiner Hochsensibilität auseinandergesetzt und verschiedene Strategien erfolgreich in mein Leben integriert. Daher wurde mir eine gute Abgrenzungsfähigkeit bescheinigt.
Hätte ich denselben Test drei Jahre zuvor gemacht, hätte da gestanden: Du bist hochsensibel.

HSP-Tests als Orientierung
Auch wenn die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen, können HSP-Tests eine erste Orientierung für Dich sein.
Sie können Dir ein Gefühl dafür geben, wie stark Du Dich mit dem Thema Hochsensibilität identifizierst. Ob es für Dich relevant sein kann, sich eingehender damit zu beschäftigen.
Kostenloser Test für Hochsensibilität
Die Pionierin auf dem Gebiet der Hochsensibilität, Elaine N. Aron, hat 1997 einen Test für Hochsensibilität veröffentlicht. Dieser ist im Internet frei zugänglich.
Wer bei mehr als 14 der 27 Aussagen zustimmt, ist nach Aron wahrscheinlich hochsensibel. Auch bei einer geringeren Punktzahl kann man hochsensibel sein, wenn die Aussagen in hohem Maße zutreffen.
Merkmale von Hochsensibilität
Wie bereits erwähnt, sind HSP-Test-Ergebnisse nicht endgültig.
Es gibt keine klare Grenze, ab der ein Mensch nicht normalsensibel, sondern hochsensibel ist. Entscheidend ist, ob und inwieweit Du Dich selbst in das Konzept der Hochsensibilität einordnest. Oder eben auch nicht.
Aufschlussreicher als ein Test ist, aus meiner Sicht, wenn Du Dir die Merkmale für Hochsensibilität genauer anschaust.
In folgenden drei Bereichen kannst Du Hochsensibilität erkennen:
1. Die Art wahrzunehmen (sensorisch)
Sinnliche Reize werden von Dir stärker, differenzierter und bewusster wahrgenommen.
Das zeigt sich, wenn mindestens einer Deiner fünf Sinne besonders empfindsam ist: sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen.
Du kannst Dich fragen, wie empfindsam Deine fünf Sinneskanäle ausgeprägt sind.
Die folgenden Beispiele sind ausgewählt zur Veranschaulichung. Die Liste ist nicht vollständig.
Beispiele:
Sehen betrifft eine höher ausgeprägte Sensibilität gegenüber optischen Wahrnehmungen.
Wenn Du …
HSP können auch sensibler gegenüber Geräuschen sein.
Unabhängig davon, …
Die höher ausgeprägte Sensibilität kann auch Deine Geruchsempfindlichkeit betreffen.
Schneller registriert und intensiver wahrgenommen werden von Dir…
Auch Deine Geschmacksempfindungen können sensibler ausgeprägt sein.
Wenn Du …
Eine höher ausgeprägte Sensibilität bezogen auf das Fühlen können z. B. sein …
Die hohe sensorische Empfindlichkeit zeigt sich z. B. auch, wenn Du stärker auf Alkohol, Koffein und Medikamente reagierst.
2. Die Art zu denken (kognitiv)
Informationen werden von Dir tiefer und gründlicher verarbeitet.
Das zeigt sich dadurch, dass Du intensiver nachdenkst, reflektierst und grübelst.
Es fällt Dir deutlich schwerer, Vergangenes loszulassen. Du spielst in Gedanken immer wieder bestimmte Situationen durch.
Du machst Dir aber auch viele Gedanken über den Sinn des Lebens und brauchst oft länger, um Entscheidungen zu treffen.
Du hast das Bedürfnis, Themen und Informationen tiefer zu durchdringen, umfassend und genau zu verstehen.
Dabei zeigst Du ein analytisches, vernetztes Denken und erfasst auch komplexe Zusammenhänge schnell. Diese strukturiert und detailliert darzustellen, ist deine Stärke.
Ob Informationen wahr oder falsch sind? Dafür hast du ein besonders starkes Gespür.
3. Die Art zu fühlen (emotional)
Gefühle werden von Dir tiefer gespürt, intensiver wahrgenommen und länger verarbeitet.
Du reagierst mit stärkeren Emotionen auf Ereignisse und Lebensereignisse – unabhängig davon, ob diese mit positiven Gefühlen wie Freude oder negativen Gefühlen wie Trauer verbunden sind.
So kannst Du von einem ehrlichen, auf Dich zugeschnittenen Kompliment so überwältigt sein, dass Dir die Tränen kommen. Zugleich bist Du besonders verletzlich und fühlst Dich durch Worte, Blicke und Gesten oft schneller gekränkt als andere.
Du bist ganz besonders empathisch, erkennst und verstehst die Gedanken und Gefühle anderer Personen sehr schnell. Durch diese Fähigkeiten kannst Du Dich sehr gut auf andere einlassen, leidest aber auch intensiv mit ihnen mit.
Du übernimmst die Emotionen und Stimmungen anderer Menschen. Es fällt Dir grundsätzlich schwer, Deine eigenen Gefühle von denen anderer zu unterscheiden und Dich davon abzugrenzen.
Auch für die Stimmungen innerhalb eines Raumes bist Du besonders sensibel. Du spürst kleinste Anspannungen und Unstimmigkeiten, nimmst Untertöne und das Gesagte zwischen den Zeilen intensiv und nachhaltig wahr.

Erkennst Du Dich wieder?
Hochsensible Merkmale einordnen
Auf die meisten hochsensiblen Menschen treffen nicht alle Merkmale zu. Sie sind Mischtypen.
Ich verstehe den Wunsch, Dich selbst klar einordnen zu können und Dich damit (noch mehr) zugehörig zu fühlen. Doch das Leben ist gerade deshalb so faszinierend, weil es so viele Facetten hat und Vieles nicht eindeutig festgemacht werden kann.
Bedeutender ist es meiner Meinung nach, bei der eigenen Hochsensibilität ehrlich hinzuschauen, um Deine Vorzüge und Herausforderungen annehmen zu können.

Was magst Du an Deiner Hochsensibilität? Und was stört Dich daran?
Ich freue mich, wenn Du Deine Erfahrungen im Kommentar teilst.
Kathrin Merfort - Coaching für Hochsensible

Als Kommunikationswissenschaftlerin arbeitete ich zuvor als Redakteurin. Oft spürte ich: Mein Beruf und meine Hochsensibilität passten an vielen Stellen nicht zusammen.
Schließlich wagte ich den Neuanfang: Ich lernte Achtsamkeitsbasiertes Stressmanagement und machte Ausbildungen im Bereich Coaching und Persönlichkeitsentwicklung. Dieser Schritt hat mein Leben um vieles leichter und erfüllter gemacht.
Ich habe gelernt, dass ich glücklicher bin, wenn ich die Dinge nach meinem eigenen Maßstab umsetze.
Heute unterstütze ich als Coach andere hochsensible Menschen, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen.